Euro und Landwirtschaft

Manfred Köhne

Published: 01.10.1999  〉 Heft 10/1999  〉 Resort: Article  〉  Deutsch
Submitted: N. A.   〉 Feedback to authors after first review: N. A.   〉 Accepted: N. A.
DOI:
N. A.

ABSTRACT

Der Euro ist Realität, seit dem 01.01.1999 zunächst als Buchgeld und ab dem 01.01.2002 auch als Bargeld. Wir befinden uns mitten in der Übergangsphase. Daher erscheint es angebracht, eine Bestandsaufnahme aus politischer, makro- und mikroökonomischer Sicht unter besonderer Berücksichtigung des Agrarsektors vorzunehmen. Die Einführung des Euro ist nicht nur ein wirtschaftliches, sondern vermutlich noch mehr ein politisches Projekt. Deshalb ist eine Beleuchtung des Themas aus politischer Sicht geboten. Der Euro soll eine Krönung integrationspolitischer Bemühungen auf einem wichtigen Teilgebiet beinhalten. Zugleich wird erwartet, daß er die weitere politische Integration Europas voranbringt. Inwieweit eine partielle Integration auf einem wirtschaftlich wichtigen Gebiet den Zusammen halt der europäischen Länder stärkt, dazu kann aus der Agrarpolitik gelernt werden. Die Agrarpolitik ist seit mehr als drei Jahrzehnten in hohem Maße vergemeinschaftlicht. Die Ergebnisse sind bekanntlich nicht gut. Ein maßgeblicher Grund ist ein Konstruktionsfehler in den Verantwortlichkeiten: Die einzelnen Länder sind für negative Folgen von Forderungen und Verhaltensweisen nicht direkt verantwortlich. Vielmehr gehen diese zu Lasten der Gemeinschaft. Das hat immer wieder zu unsachgemäßen Kompromissen geführt. Mit dem gleichen Webfehler ist die Währungsunion behaftet. Der Stabilitätspakt ist wahrscheinlich keine hinreichende Barriere gegen politisches und wirtschaftliches Fehlverhalten. Daher ist mehr Korpsgeist geboten. Die Banken in Deutschland zählen zu den vehementesten Befürwortern der Währungsunion. Deshalb interessieren besonders deren Argumente. Auf den ersten Blick sind sie mit höheren Kosten belastet - für die Umstellung und aufgrund der Zweigleisigkeit von DM und Euro in der Übergangsperiode. Andererseits fühlen sich die deutschen Banken offenbar sehr stark im internationalen Wettbewerb. Nicht zuletzt aufgrund des Images der (bald ehemaligen) DM könnten sie vermehrt Kunden aus anderen Teilnehmerländern anziehen. Aus finanzwirtschaftlicher Sicht ist auch dies erheblich: Die Wechselkurse zwischen den wirtschaftsstarken Ländern der Welt werden nicht mehr in erster Linie durch Handelsbilanzsalden, sondern durch die immensen Kapitalbewegungen bestimmt. Das hat die Anfälligkeit gegenüber Spekulationen erhöht. Da sind kleinere Länder empfindlicher als ein größerer Wirtschafts- und Währungsraum. Der Euro kann also stabilisierend wirken und damit die Unsicherheiten für die Wirtschaftsakteure vermindern. Das kann die Wirtschaftsentwicklung positiv beeinflussen.Die wiederholte Aufwertung der DM in der Vergangenheit hat den deutschen Export erschwert. Das betraf auch den Export von Agrarprodukten und Nahrungsmitteln. Für die exportierenden Unternehmen bestehen nun im Euro-Raum größere Sicherheiten. Außerdem entfallen die Umtauschkosten. Der Export wird erleichtert. Das Gleiche gilt aber auch für die Exporteure in anderen Teilnehmerländern und damit für den Import nach Deutschland. Der grenzüberschreitende Wettbewerb wird also zunehmen. Diese und weitere Aspekte legen es nahe, die Auswirkungen der Einführung des Euro auf die Absatzunternehmen, hier speziell aus dem Agrarsektor, darzulegen. Im Vorfeld der Einführung des Euro wurde diese besonders von den Interessenvertretern der Landwirtschaft wie auch von den Trägern der offiziellen Agrarpolitikern begrüßt. Dabei wurde der Wegfall der DM-Aufwertungen, die in Deutschland zu Agrarpreissenkungen geführt haben, hervorgehoben. Auch wurde auf die bereits erwähnten Vorteile im Agrarexport verwiesen. Es ist sicherlich zutreffend, daß insoweit für die deutschen Landwirte mehr Sicherheit entsteht. Es müssen aber auch die Risiken der Währungsunion sowie andere agrarpolitisch relevante Entwicklungen gesehen werden. Wenn die Einführung des Euro zu mehr politischen Turbulenzen, einer höheren Inflationsrate oder/und höheren Zinsen führt, dann wird dies sehr negative Auswirkungen auf die Landwirtschaft haben. Mit diesbezüglich höheren Risiken muß gerechnet werden. Auch resultieren höhere Risiken aus der "Agenda 2000", den WTO-Verhandlungen und der Osterweiterung. Die Landwirte werden künftig also nicht unter geringeren sondern unter höheren Risiken zu wirtschaften haben.Die skizzierten möglichen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen wirken letztlich natürlich auch in die Betriebe hinein. Bestimmte direkte Auswirkungen zeigen sich bereits heute. Der Wegfall der landwirtschaftlichen Umrechnungskurse hat in Deutschland zu einer Senkung der administrierten Preise um 1,4 % und zu einer Anhebung der Beihilfen um 0,3 % geführt. Bemerkenswert ist ferner, daß der Wegfall des Diskontkredits in der bisherigen Form zu einer Verteuerung der kurzfristigen Finanzierung geführt hat. Die Landwirte werden ihre Buchführung und das weitere Rechnungswesen wie auch Verträge auf Euro umstellen müssen.Die vielfältigen politischen sowie makro- und mikroökonomischen Auswirkungen der Einführung des Euro sind gegenwärtig noch nicht zu übersehen. Es bleibt eine interessante Aufgabe, dies zu verfolgen und wissenschaftlich zu analysieren. Damit kann die Wissenschaft Erkenntnisse für die Weiterentwicklung der einschlägigen Politik, für die Bewältigung des Beitritts weiterer Länder zur Währungsunion wie auch zu den Anpassungsprozessen in den Unternehmen beisteuern.

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Prof. Dr. Manfred Köhne, Institut für Agrarökonomie der Georg-August-Universität Göttingen, Platz der Göttinger Sieben 5, D-37073 Göttingen
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