Der Markt für Zucker

Ulrich Sommer

Published: 08.01.2003  〉 Heft 1 (von 8) 2003  〉 Resort: Article 
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ABSTRACT

Der Weltmarkt für Zucker war Ende 2001/Anfang 2002 durch eine knappe Versorgungslage sowohl auf dem Weiß- als auch dem Rohzuckermarkt gekennzeichnet. Ausschlaggebend dafür waren mehrere Faktoren. In Brasilien, dem bei weiten größten Exportland von Rohzucker, standen nur noch geringe Bestände für den Export zur Verfügung, da die brasilianischen Exporteure die Gunst der Real-Abwertung, die ihnen hohe Gewinnmargen einbrachte, so schnell wie möglich ergriffen und so viel Zucker wie möglich exportiert hatten. Die Produktion von Weißzucker in der Europäischen Union (EU) lag um 13 % unter dem Durchschnitt der letzten drei Jahre und auch die Übertragung von Zucker im Rahmen der Marktordnung aus dem Jahr 2001 auf 2002 war wesentlich geringer als in den Vorjahren. Bei nahezu konstantem Verbrauch in der EU ergab sich dadurch für den Export eine wesentlich geringere Restmenge. Durch die zunehmende Angebotsmenge im Laufe des ersten Halbjahres nicht nur aus Brasilien, sondern auch aus anderen Ländern (Türkei, Südafrika, USA und Thailand) und der rückläufigen Nachfrage aus Russland und China sackte der Weltmarktpreis von ca. 8 cts/lb am Anfang des Jahres immer mehr ab und erreichte Mitte Juni seinen niedrigsten Stand knapp über 5 cts/lb. Obwohl sich die fundamentale Lage im weiteren Verlauf des Jahres nicht geändert hat, im Gegenteil, in allen wichtigen Ländern - außer Indien - wurden höhere Ernten erwartet und verschiedene Schätzungen der Weltzuckererzeugung machten deutlich, dass die Produktion um weitere 5 - 6 % ansteigen wird, hat sich der Weltmarktpreis bis Ende November 2002 sukzessive erhöht. Grund für diese Entwicklung scheinen die Aktivitäten einzelner Fonds zu sein, die in Anbetracht der nicht einschätzbaren Kursentwicklung auf den Aktienmärkten zu den Warenmärkten übergewechselt sind, den niedrigen Zuckerpreis als günstiges Einstiegsniveau angesehen haben und noch auf einen weiteren Preisanstieg hoffen. Die weitere Entwicklung am Zuckerweltmarkt ist schwierig einzuschätzen. Kurzfristig muss sicherlich mit einem Preiseinbruch gerechnet werden, da der absolute Zuwachs der Welterzeugung im Jahr 2002/03 um einige Millionen Tonnen größer sein wird als der Verbrauch und somit ein weiterer Bestandaufbau eintritt. Mittel- und langfristig ist zu erwarten, dass zwischen den Anbietern auf dem Weltmarkt sowohl von Roh- als auch Weißzucker ein harter Verdrängungswettbewerb einsetzen wird, der zusätzlich durch Veränderungen in der Nachfragestruktur beeinflusst wird. Die beiden für den Weltmarkt wichtigsten Importländer, China und Russland, streben eine stärkere Eigenversorgung an. Auf der Angebotsseite kann Brasilien aufgrund des sehr hohen Produktionspotentials, der niedrigen Produktionskosten und des für den Export günstigen Wechselkurses Real/US$ den Weltmarktpreis in hohem Maße beeinflussen und Konkurrenten aus dem Markt drängen. Die niedrigen Preise der letzten Jahre haben bereits dazu geführt, dass Australiens Zuckerindustrie nicht mehr wettbewerbsfähig ist und zum zweiten Mal nach 2000 staatliche Beihilfen erhält, um sowohl im landwirtschaftlichen Bereich als auch in der Verarbeitung Rationalisierungsmaßnahmen durchzuführen. Auch die EU wird durch den Preisdruck gezwungen, ihre Exporte zu reduzieren. Brasilien hat zusammen mit Australien außerdem einen direkten Vorstoß unternommen, um den Export anderer Länder zu beschränken. Beide Länder haben die WTO zur Überprüfung der Zuckerexportpolitik der EU aufgefordert. Dabei geht es nicht nur um den Export von C-Zucker, sondern auch (oder vor allem?) um den Export (mit Erstattungen) einer den Importen aus den AKP-Ländern adäquaten Menge. Sollte die WTO zu dem Ergebnis kommen, dass die Modalitäten dieser AKP-EU-Vereinbarungen nicht WTO konform sind, würde dies weniger die EU treffen als die meisten AKP-Länder, da diese wesentlich höhere Produktionskosten haben als Brasilien, Australien oder Thailand und daher nicht auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig sind. Auch dürften ihnen die finanziellen Mittel fehlen, um die Exporte, auch wenn es ihnen von der WTO gestattet würde, zu subventionieren. Dies würde Brasilien die Möglichkeit eröffnen, seine Exporte zu erhöhen. In der EU wurde die ZR-Anbaufläche vor allem in den flächenstarken Ländern Frankreich, Italien und Deutschland ausgedehnt, da zur Zeit der Anbauplanung die Weltmarktpreise vor allem für Weißzucker relativ hoch waren. Günstige Witterungsbedingungen hatten zusätzlich ein Ansteigen der Zuckererträge zur Folge, so dass aus der Flächenausdehnung von ca. 2,7 % nach den bisherigen Schätzungen eine Erhöhung der Produktion von 11,5 % resultierte, wozu allein Frankreich über 50 % beigetragen hat. Dies zeigt einerseits, welches Produktionspotential in Frankreich auch im Industriesektor vorhanden ist, lässt erkennen, dass die Produktionskosten dort geringer sind als in vielen anderen Regionen der EU, führt tendenziell aber auch zu niedrigeren Weltmarktpreisen und damit C-Zuckerpreisen für alle EU - Produzenten. Die rückläufigen Weltmarktpreise, die aus der gestiegenen Produktion in mehreren Ländern - auch in der EU - resultieren, belasten die EU - Produzenten jedoch nicht nur durch niedrige Preise für den Nicht-Quotenzucker, sie haben auch zur Folge, dass die EU weniger Zucker ausführen kann als die im GATT-Abkommen festgelegte Maximalmenge, da die zur Verfügung stehende Summe der Exporterstattungen nicht dafür ausreicht. Da die Weltmarktpreise in US$ ausgewiesen werden, wirken sich Veränderungen in dem Kursverhältnis aus der Landeswährung gegenüber dem Dollar zusätzlich auf den Zuckerpreis in der Landeswährung aus. Dies war u. a. ein Grund für die gestiegene Wettbewerbsstellung Brasiliens am Weltmarkt. In Bezug auf die EU hat sich die Abwertung des Euro dahin gehend ausgewirkt, dass die im GATT-Abkommen in Euro festgelegte Summe der maximalen Ausfuhrerstattungen in US$ umgerechnet die Ausfuhrmenge zusätzlich eingeschränkt hat. Diese beiden Aspekte, die Annahme der EU-Kommission, dass der Verbrauch in der EU etwas niedriger als im letzten Jahr sein wird und die Öffnung der EU-Grenzen für Zucker aus dem früheren Jugoslawien haben dazu geführt, dass trotz der im Jahr 2001 vorgenommenen permanenten Kürzung der Höchstquoten im Jahr 2002/03 eine zusätzliche Umwandlung von Quoten- in Nicht-Quotenzucker in Höhe von 862 475 t erfolgen musste (VO (EG) Nr. 1745/2002). Von dieser Menge entfallen auf Zucker 827 000 t, auf Isoglukose 17 170 t und auf Inulinsirup 18 305 t. Zusätzlich wird der Versorgungsbedarf der Gemeinschaftsraffinerien mit Rohzucker um den gleichen Prozentsatz wie die Zucker-Grundmenge A verringert, was zur Folge hat, dass der Import von Rohzucker um diese Menge (im Jahr 2002/03: 12 588 t) reduziert wird.

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Dr. Ulrich Sommer, Braunschweig
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