Rechtlicher Schutz und staatliche Absatzförderung für Agrarprodukte und Lebensmittel auf dem Prüfstand

TILMAN BECKER

Published: 28.11.2000  〉 Heft 12/2000  〉 Resort: Article 
Submitted: N. A.   〉 Feedback to authors after first review: N. A.   〉 Accepted: N. A.

ABSTRACT

In der Bundesrepublik Deutschland hat die staatliche Absatzförderung für Agrarprodukte und Lebensmittel erhebliche Bedeutung. Bei einer staatlichen Absatzförderung durch die Bundesländer wird wie selbstverständlich die Herkunft aus dem jeweiligen Bundesland und bei einer staatlichen Absatzförderung durch die Centrale Marketinggesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft (CMA) die nationale Herkunft als besondere Qualitätseigenschaft herausgestellt. Die Herkunfts- und Qualitätszeichen der Bundesländer und das CMA-Gütezeichen sind ein Instrument der staatlichen Absatzförderung und verbinden Aussagen über die Herkunft mit Qualitätsaussagen. Die Europäische Kommission betrachtet diese Form der staatlichen Absatzförderung als unzulässigen Eingriff in den innergemeinschaftlichen Handel, da hierdurch die Erzeugnisse anderer Länder diskriminiert und der Verbraucher getäuscht würde. In dem vorliegenden Beitrag wird dieser Konflikt um die Zulässigkeit der staatlichen Absatzförderung für regionale Herkunfts- und Qualitätszeichen und das CMA-Gütezeichen dargestellt und der Zusammenhang mit dem dahinter liegenden Konflikt zwischen dem Rechtssystem der Europäischen Gemeinschaft und dem Rechtssystem der Bundesrepublik Deutschland hergestellt. Der Konflikt zwischen den beiden Rechtssystemen wird durch die Unterscheidung zwischen der qualifizierten und der kombinierten geographischen Herkunftsangabe rekonstruiert und offengelegt. Das traditionelle deutsche Rechtssystem kennt diese Unterscheidung zwischen der qualifizierten und der kombinierten geographischen Herkunftsangabe nicht und schützt beide Angaben in gleicher Weise. Auf der Ebene der Gemeinschaft hingegen ist durch die Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 ausdrücklich nur die qualifizierte Herkunftsangabe geschützt. Um eine ökonomisch fundierte Position in diesem Konflikt beziehen zu können, ist eine detaillierte Analyse der ökonomischen Funktion und Bedeutung der geographischen Herkunftsangabe notwendig. Die geographische Herkunftsangabe wird in ihrer Bedeutung als Verständigungsnorm, als Kollektivmarke und als Qualitätssignal diskutiert. Die geographische Herkunftsangabe kann sich nur dann als Verständigungsnorm zwischen Anbieter und Nachfrager etablieren, wenn durch unabhängige dritte Parteien die Glaubwürdigkeit dieser Verständigungsnorm sichergestellt wird. Dies entspricht dem Schutz gegen Irreführung der Verbraucher. Ein solcher gesetzlicher Schutz ist notwendig, damit sich die geographische Herkunftsangabe als eine evolutionär stabile Verständigungsnorm für die geographische Herkunft etablieren kann. Wenn darüber hinaus mit der geographischen Herkunftsangabe noch ein Qualitätsversprechen signalisiert werden soll, so erscheint ein markenrechtlicher Schutz dieser Kollektivmarke angebracht. Der Ausschluss der kombinierten Herkunftsangabe von diesem Schutzsystem ist jedoch nicht zu rechtfertigen. Die Qualität wird durch das betroffene Kollektiv in der jeweiligen Region festgelegt, durch die Eintragung in ein Register dokumentiert und ist damit für alle Verbraucher und Mitbewerber zugänglich. Neben dem Ausschluss der kombinierten Herkunftsangabe aus dem gemeinschaftsrechtlichen Schutzsystem ist besonders der herausgehobene Grad des Schutzes nach Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 zu kritisieren.. Es wird für Agrarprodukte und Lebensmittel eine Ausnahme aus dem gesetzlichen Rahmen des Kollektivmarkenschutzes geschaffen. Es wird aufgezeigt, dass diese Ausnahmeregelung nicht den Interessen der Verbraucher dient. Hier werden mit den Ausnahmeregelungen aus dem Rahmen des Markenrechts strukturpolitische Ziele verfolgt. Es sollte darauf hingewirkt werden, dass der Grad des Schutzes für die geographische Herkunftsangabe auf ein im Rahmen des sonstigen Markenschutzes normales Maß reduziert wird und für jede Form der geographischen Herkunftsangabe mit Qualitätsspezifikation offen steht.

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Prof. Dr. TILMAN BECKER, Institut für Agrarpolitik und Landwirtschaftliche Marktlehre, Universität Hohenheim, 70593 Stuttgart, Tel.: 0711-4593599, Fax.: 0711-4592601, Email: tbecker1@uni-hohenheim.de
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