Die Diskussion über die Zukunft der agrar- und ernährungsökonomischen Forschung und Lehre in Deutschland hat seit einiger Zeit an Intensität wieder zugenommen. Auf der 41. Jahrestagung der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaues Anfang Oktober 2001 in Braunschweig fand hierzu eine Veranstaltung mit Vorträgen statt. Verschiedene interessante Thesen und Vorschläge wurden insbesondere von Prof. WINFRIED VON URFF als Sprecher einer Gruppe von Agrarökonomen vorgetragen, die sich mehrmals im Vorfeld der Jahrestagung getroffen hatten, um wichtige Aspekte zur Zukunft der deutschen Agrarökonomie zusammenzutragen. Auch auf dem 51. Fakultätentag im Februar 2002 in Bonn wurde über die Zukunft der deutschen Agrar- und Ernährungsforschung diskutiert. In einem gemeinsamen Thesenpapier der deutschen Agrar- und Ernährungswirtschaft und von Vertretern der deutschen Agrarforschung wurde hervorgehoben, dass "... die Agrar- und Ernährungswissenschaften weltweit vor neuen Herausforderungen stehen, ausgelöst durch erhebliche technologische, wirtschaftliche und soziale Veränderungen." Gleichzeitig wurde festgestellt, dass "... das öffentliche Bewusstsein über die Notwendigkeit von Agrar- und Ernährungsforschung völlig unzureichend ist." Bei beiden Treffen sind wesentliche Probleme identifiziert worden, während konkrete Lösungsmöglichkeiten nur angedeutet wurden. In der Absicht, diese Diskussion aufzugreifen und konstruktiv weiterzubringen, möchten wir mit dem folgenden Beitrag aus der Sicht von jungen Agrarökonomen, die in der Lehre und Forschung noch am Anfang ihrer Laufbahn stehen, dazu Stellung nehmen. Am Beispiel der Doktorandenausbildung in der deutschen Agrarökonomie wollen wir einige aus unserer Sicht wichtige strukturelle Probleme und denkbare Lösungsmöglichkeiten aufzeigen. Diese Vorschläge sind von der Überzeugung geprägt, dass bestimmte Problembereiche nur fakultäts- und standortübergreifend zu lösen sind. Wir erheben dabei nicht den Anspruch, die Probleme der deutschen Agrarökonomie vollständig zu behandeln, sondern beziehen uns auf solche Punkte, die uns besonders am Herzen liegen und deren Lösung aus unserer Sicht einer koordinierten Anstrengung bedürfen.I. Bestandsaufnahme und ZukunftsproblemeDie nachhaltige Sicherung einer in quantitativer und qualitativer Hinsicht ausreichenden Welternährung bei steigender Knappheit der natürlichen Ressourcen (Land und Wasser) wird in Zukunft eine der größten Herausforderungen der Menschheit sein. Dabei darf die Sicherung der Welternährung durch die Landwirtschaft nicht auf Kosten der nachhaltigen Nutzung dieser Ressourcen gehen. Gleichzeitig ist zu bedenken, dass die urbanen Zentren bezüglich dieser Ressourcen, insbesondere Wasser, in immer größere Konkurrenz mit der Landwirtschaft treten. Die Agrarökonomie kann und muss im Verbund mit Geistes- und Naturwissenschaften einen Beitrag zur Bewältigung dieser Herausforderungen durch kontinuierliche Bereitstellung von Grundlagen-, aber auch Spezialwissen leisten. Der Forschungsbedarf zur Sicherung der Welternährung oder zum Schutz der natürlichen Ressourcen wird schon heute durch den hohen Anteil von Drittmittelforschung in der Agrarökonomie deutlich. Die wissenschaftlichen Leistungen der deutschen Agrarökonomie scheinen im internationalen Wettbewerb zu wenig Beachtung zu finden. Das zeigt sich beispielsweise daran, dass Beiträge von deutschen Agrarökonomen in den führenden nationalen und internationalen Zeitschriften verhältnismäßig selten sind. Gemessen an der Größe der Bevölkerung und der Wirtschaftskraft des Landes und im internationalen Vergleich (z.B. mit Australien, Kanada oder den Niederlanden) könnte die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Agrarökonomie durchaus noch gesteigert werden und damit verstärkt zur Lösung der oben genannten weltweiten Forschungsfragen beitragen. Eine wesentliche Ursache der vergleichsweise geringen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Agrarökonomie ist aus unserer Sicht - von einigen zeitlich begrenzten Ausnahmen (Graduiertenkollegs) abgesehen - die fehlende formale Doktorandenausbildung und die starke Einbindung der Doktoranden in die universitäre Verwaltung. So bleibt oft zu wenig Zeit, das Selbststudium auf freiwilliger Basis durch den Besuch von Vorlesungen sinnvoll zu ergänzen. Hierunter leidet vor allem die methodisch-analytische Ausbildung von deutschen Nachwuchswissenschaftlern. Das Fehlen einer formalen Doktorandenausbildung führt auch dazu, dass Hochschullehrer fast ausschließlich im Grundlagenbereich lehren; vertiefende Vorlesungen, die über das Graduiertenniveau hinausgehen, werden nicht angeboten: Somit wächst ständig die Kluft zwischen den in der Lehre zu vermittelnden Inhalten und der ‚cutting edge'-Forschung. Entsprechend konkurrieren Forschung und Lehre zunehmend miteinander um die knappe Ressource Zeit, statt einander gegenseitig zu befruchten. Dieser Effekt wird auch nicht durch die abnehmende Zahl der Studienanfänger im Fach Agrarwissenschaften gemildert, da der wesentliche Zeiteinsatz von der Zahl der Veranstaltungen und weniger von der Zahl der Studenten abhängt.Eine analytisch und methodisch anspruchvolle Doktorandenausbildung wird damit zu einer ‚conditio sine qua non' für die Qualitätsverbesserung der Forschungsleistung etablierter und junger Agrarökonomen. Dies ist vor allem im Hinblick auf die Einführung der Juniorprofessuren im Zuge des geänderten Hochschulrahmengesetzes unabdingbar, da die Juniorprofessoren unmittelbar nach der Promotion umfangreiche Lehrverpflichtungen werden wahrnehmen müssen und die Qualität ihrer Lehre unmittelbar von ihrer Qualifizierung als Doktoranden abhängt. Aufgrund der knappen Ressourcen an den verschiedenen Standorten in Deutschland sowie des hohen zusätzlichen Aufwands, der mit der Konzeption und Implementierung von international wettbewerbsfähigen Doktorandenprogrammen in der Agrarökonomie verbunden ist, ist eine bundesländerübergreifende Kooperation unabdingbar. Erfreulicherweise wurde auf dem bereits erwähnten Fakultätentag in Bonn von Vertretern aus Wirtschaft und Wissenschaft die Gründung einer länderübergreifenden Kontaktstelle "Agrar- und Ernährungsforschung" beschlossen. Dies ist prinzipiell zu begrüßen, da in der Vergangenheit aufgrund der Länderhoheit in bildungspolitischen Fragen die Schaffung von länderübergreifenden und leistungsfähigeren Strukturen in der deutschen Agrarökonomie vernachlässigt wurde. Einer Agrarfakultät nach der anderen wird in Deutschland mit Schließung gedroht. Die Fakultäten wehren sich bisher mit Erfolg dagegen, kommen aber nicht ohne zum Teil empfindliche Kürzungen davon. Die Folge ist eine gleichbleibende Zahl immer kleiner werdender Fakultäten. Die Tatsache, dass die gegenwärtige Dienstrechtsreform keine befriedigenden Übergangsregelungen für Nachwuchswissenschaftler bietet, die sich in befristeten, in der Regel der Weiterqualifikation dienenden Beschäftigungsverhältnissen befinden, wird es den Fakultäten noch schwerer machen, junge qualifizierte Wissenschaftler für eine universitäre Karriere zu gewinnen. Setzen sich diese Trends fort, wird es zu einer Verschlechterung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen agrarökonomischen Forschung, Lehre und Doktorandenausbildung kommen. Im Ergebnis würden nirgends in Deutschland Strukturen existieren, wie sie an den führenden Universitäten in Nordamerika oder in einigen anderen europäischen Ländern (Niederlande/Wageningen) vorzufinden sind.II. Mögliche LösungsansätzeEine wesentliche Maßnahme zur Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Agrarökonomie wäre nach unserer Meinung eine Reform der Doktorandenausbildung. Sie sollte stärker am angelsächsischen Modell ausgerichtet werden. Dies ist allerdings unter den gegebenen Umständen in Deutschland - kleine und schrumpfende agrarökonomische Einheiten und die damit verbundene, im internationalen Vergleich überdurchschnittlich hohe Lehrbelastung - gegenwärtig kaum möglich.Konkrete Elemente, die in der heutigen Doktorandenausbildung der deutschen Agrarökonomie weitgehend fehlen und nach angelsächsischem Vorbild verstärkt eingesetzt werden könnten, sind die folgenden:Wichtigster Bestandteil einer formalen Doktorandenausbildung sollte eine intensive Weiterbildung in methodischen, theoretischen und damit analytischen Lehrinhalten sein, die auf dem im Rahmen von Master-Studiengängen erworbenen Wissen aufbauen. Im ersten Jahr der Doktorandenausbildung sollten entsprechende Kursprogramme angeboten werden. Im Anschluss an dieses erste Jahr sollte eine positive Selektion zur Zulassung ins Doktorandenstudium durch eine Prüfung (Candidacy Exam) erfolgen. Diese Prüfung würde Wettbewerb schaffen und für eine Mindestqualifikation bei der Zulassung zur Dissertation sorgen. Im zweiten Jahr der Doktorandenausbildung sollten Kursprogramme entsprechend der Schwerpunktsetzung eines jeden agrarökonomischen Standortes folgen. Gleichzeitig sollte die Betreuung der individuellen Forschungsarbeiten einzelner Doktoranden im Rahmen der an den jeweiligen Standorten bestehenden Forschungsprogramme erfolgen.Zwei prinzipielle Strategien bieten sich für die Umsetzung der genannten Anforderungen an ein verbessertes Doktorandenstudium an: erstens eine idealtypische Lösung, die auf eine Konzentration und Zusammenlegung der bestehenden Ressourcen (Personal und finanzielle Mittel) auf wenigere Standorte zielt, und zweitens eine pragmatischere Lösung, die auf verstärkte Kooperation der bestehenden Standorte setzt. Bei der idealtypischen Lösung würde die universitäre agrarökonomische Ausbildung in Deutschland auf weniger Standorte als heute reduziert. Dies würde die Freisetzung von Ressourcen zur Durchführung von systematischen und formalen Doktorandenprogrammen erlauben. Es sei allerdings betont, dass für diese idealtypische Lösung eine bundesländerübergreifende Vereinbarung notwendig wäre, die eine Zusammenlegung von vorhandenen Ressourcen der Agrarökonomie erlaubt. Eine einfache Schließung von Standorten würde keine adäquate Lösung darstellen, sondern durch die Reduktion der Kapazitäten zu einer weiter sinkenden Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Agrarökonomie beitragen. Damit es nicht zu einer solchen Reduktion kommt, müsste das Konzept einer länderübergreifenden Lösung kapazitätsneutrale "Tauschaktionen" zum Gegenstand haben: So könnte die Agrarökonomie von zwei Standorten A und B auf einen konzentriert werden, während gleichzeitig Kapazitäten in einem anderen universitären Fachgebiet an dem jeweils anderen Standort zusammengeführt werden. Offensichtlich ist diese Lösungsmöglichkeit jedoch eine Angelegenheit der Politik, weshalb die Akteure in der Wissenschaft selbst nur wenig Einfluss auf die Umsetzung dieser Alternative haben. Alternativ zu dieser idealtypischen Lösung, die schon lange vor uns diskutiert, aber aufgrund der Kulturhoheit der Länder auch immer wieder vergessen wurde, wäre eine pragmatischere Lösung denkbar, die auf verstärkte Kooperation der bestehenden Standorte setzt. Kooperationen zwischen einzelnen Standorten bieten die Möglichkeit, eine anspruchsvollere Doktorandenausbildung in der Agrarökonomie zu etablieren. Bei einer solchen Lösung müssten jedoch die Doktoranden die Bereitschaft mitbringen, innerhalb Deutschlands an verschiedenen Standorten ihre Doktorandenausbildung zu absolvieren. Gleichzeitig würde bei gleichbleibenden Mitteln der Lehraufwand der Professorenschaft weiter zunehmen. In Anbetracht der bereits hohen Lehrbelastung würde dies den Trend verstärken, dass Lehrstuhlinhaber zu wenig Zeit für international konkurrenzfähige Forschung und damit Publikationen haben. Der Einsatz von standortübergreifenden Internetkursen für Grundlagenvorlesungen zur Reduktion der Lehrbelastung in Bachelor- und Master-Studiengängen wäre zwar denkbar, würde aber auf Kosten des persönlichen Kontaktes und der Betreuung der Studenten gehen.Ein positiver Nebeneffekt solcher standortübergreifender Kooperationslösungen wäre eine größere Unabhängigkeit einzelner Standorte von landespolitischen Entscheidungskalkülen. In Kooperation mit verschiedenen Standorten erbrachte Dienste könnten als Argumente gegen die Schließung einzelner Standorte dienen. Noch wichtiger ist: Die Kooperation würde Vorteile durch Synergieeffekte und verbesserte Interdisziplinarität mit sich bringen.Sowohl mit der idealtypischen als auch der zweitbesten Lösung müssten zusätzliche Reformen einhergehen, die mehr als nur neue Prüfungsordnungen umfassen. Beispielsweise müsste zur Verbesserung der Attraktivität des deutschen agrarökonomischen Studiums das Lehrangebot in englischer Sprache ausgeweitet werden. Um die Attraktivität deutscher Lehrangebote für ausländische Studenten zu erhöhen (internationaler Wettbewerb um die besten Nachwuchskräfte), sollte auch daran gedacht werden, die Semesterzeiten in Deutschland in Einklang mit den internationalen Gepflogenheiten zu bringen. Die Modularisierung der Lehre könnte einen Beitrag zur Lösung dieses Koordinationsproblems leisten.Eine Struktur- und Standortdiskussion ist prinzipiell nicht leicht zu führen, wie auch in der Vergangenheit (Anfang der 70er Jahre) sehr deutlich wurde. Da aber in den nächsten Jahren die Mehrzahl der vorhandenen Stellen in der deutschen Agrarökonomie neu zu besetzen sein wird, ist die Gelegenheit gegenwärtig günstig. Wir jüngeren Kollegen haben ein großes Interesse daran, die Debatte über die Zukunft der deutschen Agrarökonomie weiterzuführen, weil manche von uns noch 25-30 Jahre in den entsprechenden Strukturen arbeiten wollen und müssen. Aufgrund der oben dargestellten Problematik wird somit deutlich, dass die Identifikation und Umsetzung von Lösungen durch eine gesamtdeutsche Strategie der agrarökonomischen Forschung und Lehre erleichtert würden. Es ist mehr als zweifelhaft, dass durch individuelle Strategien der einzelnen Fakultäten die Etablierung von anspruchsvolleren Doktorandenprogrammen oder die Einwerbung von wichtiger werdenden Mitteln der EU im Rahmen des 6. Forschungsrahmenplans möglich sein wird. Deshalb plädieren wir mit unserem Thesenpapier nachdrücklich für eine gesamtdeutsche Strategie der agrarökonomischen Forschung und Lehre. Die Initiativen, die von der Wissenschaft selbst bereits gestartet wurden und werden (z.B. die länderübergreifende Kontaktstelle "Agrar- und Ernährungsforschung"), zeigen damit unseres Erachtens in die richtige Richtung. Gleichzeitig muss allerdings anerkannt werden,
dass tiefgreifende Lösungen (die idealtypische Lösung der Konzentration und Zusammenlegung der Ressourcen) ohne entsprechende Änderungen der politischen Rahmenbedingungen nicht denkbar sind.