Welternährung: Qualität und Quantität!

HARALD VON WITZKE

Published: 19.03.2002  〉 Heft 3 (von 8) 2002  〉 Resort: Article  〉  Deutsch
Submitted: N. A.   〉 Feedback to authors after first review: N. A.   〉 Accepted: N. A.
DOI:
N. A.

ABSTRACT

In den kommenden Jahrzehnten wird die Weltbevölkerung stark zunehmen und zwar von 6 Mrd. Menschen in 2000 auf wohl mehr als 8,5 Mrd. in 2025. Das Wachstum wird sich fast ausschließlich in den heutigen Entwicklungsländern einstellen. Darüber hinaus kann erwartet werden, dass in vielen dieser Länder die Pro-Kopf-Einkommen nachhaltig steigen. Beides wird in den Entwicklungsländern zu einem außerordentlich starken Wachstum der Nachfrage nach Nahrungsmitteln führen.Dagegen steht zu befürchten, dass sich die weltweite Nahrungsgüterproduktion nicht so stark wird steigern lassen wie die Nachfrage. Hierfür gibt es eine Reihe von Gründen. Weltweit sind die landwirtschaftlich nutzbaren Flächen begrenzt. Die besten Böden befinden sich bereits in der Produktion. Wo es noch größere Bodenreserven gibt, wie etwa in Form tropischer Regenwälder, sollten diese nicht in die landwirtschaftliche Produktion überführt werden - aus Gründen des Arten-, Umwelt- und/oder Klimaschutzes. Zur Sicherung der Nahrungsgüterproduktion bleibt also vorrangig nur die Ausdehnung der Produktivität der bereits landwirtschaftlich genutzten Flächen.Dies wird schwierig sein, nehmen doch die jährlichen Produktivitätsfortschritte bereits seit Jahren ständig ab. Ein wichtiger Grund hierfür liegt darin, dass das Produktionspotenzial der Nutzpflanzen und -tiere mit den traditionellen Züchtungsmethoden zunehmend ausgeschöpft wird. Hinzu kommt, dass eine Steigerung der Agrarproduktion immer auch einhergeht mit zunehmendem Wasserverbrauch. Sauberes Wasser wird aber weltweit knapper und damit teurer. Zwei weitere Phänomene verringern in einigen Regionen der Welt weiteres Produktionswachstum, auch wenn der Einfluss auf die Versorgungslage der Welt insgesamt noch begrenzt ist. Es sind dies der Landverbrauch durch Urbanisierung und die Degradation landwirtschaftlicher Nutzflächen durch Erosion, Versalzung oder Nährstoffauswaschung.Als Folge dieser Entwicklungen steht zu erwarten, dass der Importbedarf der Entwicklungsländer bei Nahrungsgütern dramatisch zunehmen wird und die Weltmarktpreise wichtiger Nahrungsgüter in den kommenden Jahrzehnten trendmäßig steigen werden. In den reichen Ländern dagegen stagniert die mengenmäßige Nachfrage nach Nahrungsgütern, doch steigt hier die Nachfrage nach Qualität. Dies gilt für die Produkt- wie für die Prozessqualität. Die steigende Nachfrage nach Nahrungsgüterqualität hat in diesen Ländern eine wachsende Nachfrage nach staatlicher Regulierung der Güterqualität etwa in Form von Standards, Kontrollen oder ökonomischen Anreizen ausgelöst.Die Land- und Ernährungswirtschaft wird sich zu einem Hightech-Wirtschaftsbereich wandeln. Dies gilt für die klassische wie für die ökologisch ausgerichtete Nahrungsgüterproduktion. Zum einen macht natürlich die technologische Entwicklung nicht vor der Land- und Ernährungswirtschaft halt. Zum anderen wird nur eine Hightech-Land- und -Ernährungswirtschaft in der Lage sein, die zunehmenden Qualitätsanforderungen kostengünstig zu erfüllen.Hightech-Produktionsverfahren zeichnen sich dadurch aus, dass sie kapital- und humankapitalintensiv sind. Kapital und Humankapital sind als Produktionsfaktoren in den reichen Ländern der Welt relativ reichlich und deshalb verhältnismäßig preiswert, in den Entwicklungsländern dagegen relativ knapp und damit teuer. Dies bedeutet, dass die internationale Wettbewerbsposition der Agrar- und Ernährungswirtschaft der Industrieländer sich verbessern, die der Entwicklungsländer sich verschlechtern wird, wodurch das Nahrungsdefizit der Entwicklungsländer sich vergrößert würde. So ist wenig verwunderlich, dass sich letztere bei WTO Verhandlungen gegen steigende Qualitätsanforderungen im Nahrungsgüterbereich aussprechen.Ganz offensichtlich ergibt sich ein Konflikt zwischen den Erfordernissen, die aus stärker qualitätsorientierten staatlichen Regulierungen resultieren, und solchen zur Sicherung der Welternährung. Steigende Qualitätsansprüche in den Industrieländern erfordern zusätzliche Ressourcen in Produktion und Verarbeitung. Dies erhöht die Grenzkosten und verringert somit das Angebot.Steigende Qualitätsanforderungen der reichen Länder können auch auf Kosten wichtiger Qualitätsaspekte in Entwicklungsländern gehen. So mag es durchaus sein, dass der Öko-Landbau auf den Flächen, auf denen er betrieben wird, per Saldo positive Externalitäten aufweist. Er ist aber auch bodenintensiver als der klassische Landbau. Wenn also in den reichen Ländern der Öko-Landbau ausgedehnt wird, muss in anderen Teilen der Welt mehr produziert werden. Das ist nur möglich durch intensivere Nutzung der landwirtschaftlichen Flächen oder deren Ausdehnung zu Lasten natürlicher oder naturnaher Biotope.Die konfligierenden Ansprüche an die Agrarproduktion in den reichen Ländern der Welt können sicherlich nicht durch staatliche Konsum- und/oder Produktionsplanung gelöst werden. Angesichts der ambivalenten Externalitäten der ökologisch orientierten Landwirtschaft ergibt sich auch keine Rechtfertigung, staatlicherseits eine Form der Landbewirtschaftung gegenüber einer anderen zu bevorzugen. Damit kann der Markt entscheiden, was produziert wird. Die Agrarwirtschaft hat aufgehört, generische Rohstoffe zu erzeugen. Die Landwirtschaft der Zukunft wird eine vielfältige Palette unterschiedlicher Qualitäten zu unterschiedlichen Kosten und Preisen erzeugen. Die Konsumenten haben dann die Wahl zwischen Qualitäten, die ihren Präferenzen und Möglichkeiten am besten entsprechen.Das Problem der Welternährung ist damit noch nicht gelöst. Es wird sich nur lösen lassen, wenn die Nahrungsgüterproduktion insgesamt produktiver wird. Eine notwendige Voraussetzung hierfür ist die Intensivierung von Forschung, Ausbildung und Beratung im Agrar- und Ernährungsbereich. In Europa geschieht derzeit genau das Gegenteil. Agrarfakultäten und anderen öffentlichen Forschungs- und Ausbildungseinrichtungen werden staatlicherseits in dramatischem Umfang Ressourcen entzogen oder sie werden gänzlich geschlossen. Dies ist eine Entwicklung, welche die langfristige Sicherung der Welternährung noch weiter erschwert.

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Prof. Dr. Dr. h.c. HALRALD VON WITZKE, Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaues der Humboldt-Universität zu Berlin, Luisenstr. 56, D-10099 Berlin
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