Umweltgutachten 2000: Hinweise für die Agrarumweltpolitik?

STEPHAN DABBERT

Published: 01.06.2000  〉 Heft 6/2000  〉 Resort: Article  〉  Deutsch
Submitted: N. A.   〉 Feedback to authors after first review: N. A.   〉 Accepted: N. A.
DOI:
N. A.

ABSTRACT

Über ein mangelndes Presseecho kann sich der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen nicht beklagen. Während manch anderer Wissenschaftlicher Beirat schon zufrieden sein muss, wenn seine Stellungnahmen innerhalb der jeweiligen Fachöffentlichkeit diskutiert werden, schaffte der Umweltrat mit seinem im März vorgestellten Umweltgutachten 2000 "Schritte ins nächste Jahrtausend" den Sprung in die Schlagzeilen der Tagespresse. "Gelbe Karte für rot-grüne Umweltpolitik" oder "Umweltrat rügt Rot-Grün" konnte man lesen, eine journalistische Zuspitzung der Aussage des Umweltrates, dass von der erwarteten Aufwertung der Umweltpolitik nach dem Regierungswechsel im Jahr 1998 keine Rede sein könne. Vielmehr sieht der Umweltrat durch die besondere Hervorhebung der Themenbereiche "Ausstieg aus der Atomenergie" und "Ökologische Steuerreform" andere umweltpolitische Themen von Bedeutung in unangemessener Weise in den Hintergrund gedrängt. Im Chor der regierungskritischen Pressestimmen erinnerte nur die einst freche TAZ daran, dass der Umweltrat auch der Regierung Kohl am Ende eine "dürftige Bilanz" attestiert hatte. Jenseits der Verwendung des Gutachtens als tagespolitische Munition lohnt eine Beschäftigung mit dem umfangreichen, mehr als 900seitigen Werk vor allem wegen des Versuchs des Umweltrates, aktuelle Probleme der Umweltpolitik multidisziplinär zu diskutieren. Aus der großen thematischen Breite sollen hier einige Aspekte herausgegriffen, diskutiert und bewertet werden, die für den Bereich der Agrarumweltpolitik relevant sind. Im Zusammenhang mit einem umfangreichen Kapitel zur Osterweiterung der Europäischen Union wird festgestellt, dass es über die Agenda 2000 hinausgehend einer Reform der gemeinsamen Agrarpolitik bedürfe. Keinesfalls dürfe die bisherige europäische Agrarpolitik auf die Beitrittsstaaten übertragen werden, da sonst die Gefahr bestünde, dass noch relativ unberührte Naturräume und wertvolle Kulturlandschaften in Mittel- und Osteuropa zerstört würden. Hier ist dem Umweltrat zuzustimmen - auf die Frage jedoch, wie die aus wirtschaftlicher Sicht notwendigen strukturellen Anpassungen der Landwirtschaft etwa in Polen zu bewerkstelligen sind, wenn das NATURA 2000-Netzwerk Veränderungen der Landnutzung auf umfangreichen Flächen stark einschränkt, bleibt der Umweltrat eine schlüssige Antwort schuldig.Den Zustand von Natur und Landschaft in Deutschland sieht der Umweltrat als "unverändert besorgniserregend" an und wiederholt die Aufforderung, dass der Naturschutz auf 10 - 15 % der Landesfläche absoluten Vorrang genießen solle. Hier fordert der Umweltrat die Umsetzung des Natura-2000-Konzeptes bis 2004 und damit wesentlich schneller, als es die Bundesregierung vorsieht, und er kritisiert die Bundesländer wegen ihrer Rolle bei der Umsetzung der FFH-Richtlinie. Wollte man so überspitzt formulieren wie die oben zitierte Tagespresse, so könnte man sagen "Umweltrat sieht Länder mit Gebietsauswahl im Rahmen der FFH-Richtlinie überfordert". Der Bodenschutz soll einem wichtigen "schleichenden" Umweltproblem begegnen. Der Umweltrat fordert eine Weiterentwicklung des Bundesbodenschutzgesetzes, nach der die zuständige Behörde die Möglichkeit erhält, mittels hoheitlichen Zwanges über Anordnungen das Vorsorgegebot bei landwirtschaftlicher Bodennutzung durchzusetzen. Eine Neufassung der Düngeverordnung wird gefordert, die standortspezifische Vorgaben hinsichtlich der maximal tolerierbaren Stickstoffbilanzüberschüsse macht und deren Einhaltung dann auch tatsächlich in effizienter Weise kontrolliert wird. Die Düngeverordnung ist in ihrer derzeitigen Fassung sicher ein eher zahnloser Tiger. Solange die Düngeverordnung nicht in diesem Sinne novelliert wird, hält der Umweltrat an seiner Forderung nach einer Abgabe auf Mineraldünger in Verbindung mit einer Rückerstattung der Einnahmen fest - offensichtlich ist dies als zweitbeste Lösung einer Verschärfung der Düngeverordnung unterlegen. Mit der Betonung des Ordnungsrechtes zeigt sich die Sichtweise des Umweltrates, die Sozialpflichtigkeit des Eigentums verhältnismäßig eng zu definieren. Tatsächlich ist es jedoch zweifelhaft, ob man mit einer derart engen Definition einer Situation gerecht wird, in der die Agrarmärkte tendenziell liberalisiert werden - über Ordnungsrecht durchgesetzte Umweltauflagen tragen dann u.U. zu deutlichen Wettbewerbsnachteilen bei. Eine Honorierung der ökologischen Leistungen, die an anderen Stellen im Gutachten angesprochen wird, ist nicht nur politisch vermutlich leichter durchsetzbar, sondern lässt sich auch ökonomisch rechtfertigen.

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Prof. Dr. STEPHAN DABBERT, Institut für Landwirtschftliche Betriebslehre der Universität Hohenheim, 70593 Stuttgart (dabbert@uni-hohenheim.de)
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