Die ersten BSE-Fälle in Deutschland im Jahre 2000 wurden von einigen Politikern und Medien zu einer Totalkritik an der sog. konventionellen Landwirtschaft hochstilisiert. Gleichzeitig wurde eine günstige Gelegenheit gesehen, den ökologischen Landbau als das zu verfolgende Leitbild für die Zukunft der Landwirtschaft herauszustellen und eine kräftige Werbe- und Förderkampagne für diese Form der Landwirtschaft zu initiieren. Ein solcher Kontrast wird den praktischen Sachverhalten nicht gerecht. Deshalb sollte es ein Anliegen der Wissenschaft sein, zu sachlich zutreffenderen Betrachtungsweisen beizutragen. Dazu dient auch dieses Heft.
Die Umweltprobleme der konventionellen Landwirtschaft sind seit langem bekannt - spätestens seit der ersten systematischen Zusammenstellung und Beurteilung durch den Sachverständigenrat für Umweltfragen im Jahre 1985. Seitdem ist an Verbesserungen gearbeitet worden, und es wurden bereits auch Erfolge erzielt. Jedoch gibt es weiterhin Defizite, so bei Nährstoffemissionen, Bodenbeeinträchtigungen, bei der Landschaftsgestaltung, bei Tierhaltungsverfahren und teils auch bei Produktqualitäten. Die gegenwärtige Stimmungslage in der Landwirtschaft, der Politik und der Gesellschaft wird dazu führen, dass die Behebung der Defizite beschleunigt angegangen wird. Dabei muss allerdings auch auf die Anpassungsmöglichkeiten in den Betrieben und die Wahrung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit Rücksicht genommen werden. Es wird beträchtliche Korrekturen, jedoch keine völlige "Wende" der Landwirtschaft hin zu ganz anders gearteten Produktionsverfahren und Organisationsformen geben.
Im Lichte dessen wird der ökologische Landbau auch in Zukunft nur ein untergeordnetes Segment der Landwirtschaft bleiben - in Deutschland, der EU und angesichts des weiteren Bevölkerungswachstums vor allem in der Welt insgesamt. In der EU wird der ökologische Landbau in den nächsten Jahren eine deutliche Ausdehnung erfahren, besonders aufgrund der verstärkten Förderungen. Die Ausdehnung ist positiv zu werten im Hinblick auf die Umwelt, die Marktentlastung und die Lerneffekte, die davon auch auf die umweltverträglichere Weiterentwicklung der konventionellen Landwirtschaft ausgehen. Dem steht der hohe Subventionsbedarf gegenüber. Um die Vor- und Nachteile besser in Einklang zu bringen, ist u.a. auch die Wissenschaft aufgerufen, verstärkt an einer Erhöhung der wirtschaftlichen Effektivität des ökologischen Landbaus mitzuarbeiten. Die Wissenschaft ist auch noch aus einem weiteren Grund gefordert: Gegenwärtig wird die Weiterentwicklung des ökologischen Landbaus in der Politik und teils auch in der Praxis zu sehr auf Emotionen und Illusionen gegründet. Das birgt eine hohe Gefahr von Fehlentscheidungen. Die Wissenschaft kann dem durch sachlich begründete Analysen und Empfehlungen entgegenwirken.
Als wichtige Forschungsaufgaben speziell der agrarökonomischen Wissenschaft lassen sich, kurz skizziert, die folgenden herausstellen: Die Beschreibung und Analyse betrieblicher Entwicklungen im In- und Ausland, die Herausarbeitung wichtiger Erfolgsvoraussetzungen, die Erarbeitung von Leitlinien für Unternehmensplanungen sowie für zukunftsträchtige Organisationsformen auf einzel- und zwischenbetrieblicher Ebene die Anregung und Beurteilung von Neuerungen, die Untersuchung der Auswirkungen politischer Maßnahmen und rechtlicher Vorgaben in den Betrieben sowie vermehrt auch die Analyse internationaler Wettbewerbsverhältnisse. Im Hinblick auf die Vermarktung sind vor allem anzugehen Untersuchungen zur relativen Vorzüglichkeit der verschiedenen Vermarktungswege, zur Markterschließung, zur Effizienzsteigerung in der Vermarktung und zum Marketing auf unternehmens- und sektoraler Ebene. Für die Politik sind Analysen durchzuführen zu den Auswirkungen wichtiger Rahmenbedingungen, insbesondere spezieller materieller und institutioneller Förderungen auf die bisherige Entwicklung des Umfangs, der Strukturen und des Erfolges des ökologischen Landbaus. Mit Blick auf die Zukunft sind zu konzipierende politische Maßnahmen zu beurteilen, meistens unter Berücksichtigung von Alternativen, und daraus sind politische Empfehlungen abzuleiten. Die agrarökonomischen Fragen des ökologischen Landbaus können im Wesentlichen mit den gleichen Theorien und Methoden angegangen werden wie bei der konventionellen Landwirtschaft. Natürlich müssen die spezifischen Bedingungen des ökologischen Landbaus dabei beachtet werden. Dies kann teils spezifische methodische Weiterentwicklungen erfordern. Neben der Erforschung neuer Erkenntnisse muss die Wissenschaft auch für deren Verbreitung im Ausbildungswesen, in Fachkreisen und bis in die Gesellschaft hinein sorgen.
Die Beiträge dieses Heftes sind in den skizzierten Aufgabenkatalog einzuordnen: Es erfolgen Erfahrungsberichte aus verschiedenen Ländern, Erklärungen zur Entwicklung des ökologischen Landbaus, Untersuchungen zur Wirtschaftlichkeit und speziell zur Förderung, eine exemplarische Betriebsplanung und eine Untersuchung der Preispolitik des Lebensmitteleinzelhandels. Die Herausgeber der Agrarwirtschaft verfolgen mit diesem Schwerpunktheft zwei Ziele: Die Vermittlung einer gebündelten Information zu ökonomischen Fragen des ökologischen Landbaus und eine Erhöhung der Aufmerksamkeit für solche Fragen in unserer Disziplin. Daher werden künftig vermutlich vermehrt Beiträge zum ökologischen Landbau aus wirtschafts- und (hoffentlich auch) sozialwissenschaftlicher Sicht in dieser Zeitschrift zu finden sein.