Halbzeitbewertung der Agenda 2000: Chancen und Risiken von Fischlers Reformkurs

P. MICHAEL SCHMITZ

Published: 30.07.2002  〉 Heft 6 (von 8) 2002  〉 Resort: Article  〉  Deutsch
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DOI:
N. A.

ABSTRACT

Die kürzlich von der EU-Kommission vorgelegte Halbzeitbewertung der Agenda 2000 ist mehr als eine bloße Überprüfung der bis zum Jahr 2006 geltenden Berliner Beschlüsse zur EU-Agrarpolitik. Es ist der Versuch, schon jetzt eine Reformdiskussion anzustoßen und erste Elemente davon nicht erst ab dem Jahr 2007, sondern bereits im laufenden Agrarprogramm zu etablieren. Das ist einerseits zu begrüßen, weil im Zuge der Osterweiterung und der WTO-Verhandlungen neue Herausforderungen auf die EU zukommen werden, die zwangsläufig weitere Anpassungen erfordern und schnelle Antworten verlangen. Andererseits hat Politik aber auch eine Verantwortung für die Planungssicherheit, Kontinuität und Verlässlichkeit der Rahmenbedingungen. Es ist deshalb verständlich, wenn landwirtschaftliche Unternehmer das hohe Politikrisiko beklagen, das von den ständigen Reformdiskussionen und Neuregelungen auf europäischer und nationaler Ebene ausgeht. Verunsicherung, Investitionszurückhaltung und die Sorge vor einem regulatorischen Overkill sind die Folge. Gerade deutsche Landwirte und ihre Partner im vor- und nachgelagerten Bereich sind durch die Diskussion um die Agrarwende nachhaltig verunsichert worden und wünschen sich mehr denn je verlässliche Rahmenbedingungen und einen klaren agrarpolitischen Kurs. Inwieweit der mit der Halbzeitbewertung eingeschlagene Reformkurs Fischlers diese Klarheit und Verlässlichkeit erkennen lässt und ob er den neuen Herausforderungen durch Osterweiterung und WTO-Verhandlungen genügend Rechnung trägt bzw. wo neue Risiken und Gefahren für eine marktwirtschaftliche Orientierung liegen, soll im Folgenden anhand der wichtigsten Vorschläge bzw. Aussagen der Halbzeitbewertung untersucht werden. Eine Reihe von Vorschlägen zur Stabilisierung der Märkte und der Verbesserung der gemeinsamen Marktorganisationen liegen ganz auf der Linie der Agenda 2000 und dienen zweifellos der stärkeren Marktorientierung. Hierzu gehören: Senkung der Interventionspreise für Getreide um 5 % im Wirtschaftsjahr 2004/2005 und Teilausgleich über eine Anhebung der Flächenprämien; Abschaffung der monatlichen Zuschläge (Reports) bei den Getreideinterventionspreisen; Aufhebung der Intervention von Roggen; Absenkung des spezifischen Prämienzuschlags für Hartweizen und Abschaffung der Sonderbeihilfen in den üblichen Anbaugebieten über einen Zeitraum von drei Jahren; Senkung des Interventionspreises für Reis um 50 % im Wirtschaftsjahr 2004/2005 und Einführung einer privaten Lagerhaltungsregelung. Die Philosophie hinter diesen Maßnahmen ist erstens die stärkere Orientierung der EU-Agrarpreise am Weltmarktgeschehen mit dem Ziel einer verbesserten preislichen Wettbewerbsfähigkeit der EU-Agrar- und Ernährungsprodukte. Soweit dadurch erstattungsfreie Exporte möglich sind, sollen zweitens auf diese Weise die sehr restriktiven Exportbeschränkungen des GATT-Vertrags vermieden und eine bessere Teilnahme an der Dynamik der Weltmärkte ermöglicht werden. Alle Interventionsmaßnahmen sollen drittens auf die Funktion eines unteren Sicherheitsnetzes zurückgeführt werden, von dem keine produktionsstimulierenden Wirkungen und keine zeitlichen Preisverzerrungen mehr ausgehen und das sich mehr als bisher an privatwirtschaftlichem Lagerhaltungskalkül orientiert. Schließlich wird viertens angestrebt, die Sonderstellung einiger Produkte abzubauen, um keine falschen Produktionsanreize mehr zu geben und Fehllenkungen von Produktionsfaktoren zu vermeiden. Neben der stärkeren Marktorientierung erhofft sich die EU-Kommission von diesen Vorschlägen vor allem aber auch eine Einsparung bei den Marktordnungsausgaben im Agrarbudget. Bei aller Zustimmung zu dieser Grundausrichtung stellen sich jedoch im Zusammenhang mit den Vorschlägen zur Stabilisierung der Märkte und der Verbesserung der Marktorganisationen auch einige sehr kritische Fragen. Eine Teilnahme am Weltmarktgeschehen wird nicht automatisch dadurch erreicht, dass man die Marktordungspreise administrativ senkt und Abschöpfungen bzw. Erstattungen entsprechend anpasst. Im derzeitigen System kann es nämlich nicht nur vorkommen, dass steigende oder sinkende Weltmarktpreise nicht bzw. nur unvollständig an die europäischen Landwirte weiter gegeben werden, sondern beispielsweise auch, dass der EU-Preis dauerhaft unter dem Weltmarktniveau liegt. Das kann nicht im Interesse der europäischen Landwirtschaft sein. Abhilfe könnte hier durch Einführung spezifischer Mengenzölle bzw. -subventionen oder von Wertzöllen bzw. Wertsubventionen geschaffen werden, die sukzessive abzubauen wären. Zu fragen ist auch, warum der Preisstützungsabbau nicht synchron und gleichmäßig über alle Produkte hinweg vorgenommen wird, um intrasektorale Produktionsverzerrungen und Faktorfehllenkungen zu vermeiden. Die EU-Getreidepreise befinden sich z.B. nach den Vorschlägen bereits ganz nahe am Weltmarktniveau, während die Preise für Rindfleisch, Milchprodukte und Zucker deutlich darüber hinaus gehen. Wohlfahrtsökonomisch vorteilhaft wäre deshalb ein Stützungsabbau, der bei den Produkten mit hohen Protektionsraten beginnt und im Verlauf der Liberalisierung die Protektionsniveaus harmonisiert. In diesem Zusammenhang ist es auch unverständlich, warum die Kommission nicht klar Stellung bezieht zur Reform der Milchmarktordung, die bereits durch die Berliner Beschlüsse mit dem späteren Reformbeginn 2005/2006 eine Sonderstellung erhalten hat. Dabei dürfte unstrittig sein, dass Quotenregelungen jeglicher Art ein Fremdkörper in einem marktwirtschaftlichen System darstellen, der auf Dauer nicht zu rechtfertigen ist. Es ist deshalb nicht die Frage, ob die Quotenregelungen abgeschafft werden sollten, sondern in welchem Zeitraum im Hinblick auf den Vertrauensschutz und mit welcher Übergangsregelung.
Auch ist nicht zu verstehen, warum trotz Abschaffung einiger produktbezogener Sonderregelungen neue Sondertatbestände geschaffen und komplizierte Kompensationsregelungen neu eingeführt werden. Die Qualitätsprämie für Hartweizen und die betriebsbezogenen und gleichzeitig kulturspezifischen Beihilfen für Reis sind Beispiele hierfür. Schließlich scheint höchste Wachsamkeit geboten, wenn die Kommission über eine Änderung und Vereinfachung des EU-Außenschutzes für Getreide und Reis verhandeln will. Intendiert ist offensichtlich die Einführung von Zollkontingenten, einem ökonomisch äußert problematischen Außenhandelsinstrument. Die Erfahrung lehrt, dass die Zuteilung von Importrechten innerhalb der zollfreien bzw. zollbegünstigten Kontingente in der Regel nicht nach ökonomischen Prinzipien erfolgt und das Schutzniveau außerhalb des Kontingents oft prohibitiv hoch angesetzt wird. Das Außenhandelsregime würde somit selektiver und protektionistischer. Dies ist nicht nur gegen die Getreideimporte aus Osteuropa und den GUS-Staaten gerichtet, sondern läuft auch dem Wunsch nach Integration in die Weltmärkte und Öffnung der Volkswirtschaften diametral entgegen. Neben den Vorschlägen zur Stabilisierung der Märkte und der Verbesserung der gemeinsamen Marktorganisationen widmet die EU-Kommission in ihrem Bericht der Reform der Direktzahlungen größere Aufmerksamkeit und längere Ausführungen. Im Prinzip strebt sie eine Entkopplung und Vereinfachung der Zahlungen sowie eine Bindung an Umwelt-, Qualitäts- und Tierschutzstandards an. Die Vorschläge lauten im Einzelnen: Einführung einer produktionsentkoppelten, betriebsbezogenen Einkommenszahlung in Anlehnung an die historischen Direktzahlungen verschiedener Regelungen pro Betrieb unter Berücksichtigung der vollständigen Umsetzung der Agenda 2000; Berechnung des Zahlungsanspruchs pro förderfähigem Hektar des Betriebs und Möglichkeit der Übertragung des Anspruchs auf andere Betriebe unter Auflagen und mit nationalen Ausgestaltungsspielräumen hinsichtlich des Grades an Spreizung der hektarbezogenen Zahlungen; Bindung der Direktzahlungen an Standards in den Bereichen Umwelt, Lebensmittelsicherheit, Tierschutz und Betriebssicherheit (Cross-Compliance) mit regionalem Bezug, aber auf der Basis EU-einheitlicher grundlegender Durchführungsbestimmungen, sowie Einführung von obligatorischen Audits für alle Haupterwerbsbetriebe, die mindestens 5000 € Direktzahlungen erhalten; Fortsetzung der derzeit geltenden obligatorischen Flächenstillegung eines Betriebs über zehn Jahre als Voraussetzung für den Anspruch auf Direktzahlungen und damit als Teil der Cross-Compliance-Bestimmungen; Neueinführung einer nicht kulturspezifischen Beihilfe für den Anbau von Energiepflanzen zur CO2-Substitution; Kürzung aller Direktzahlungen in arithmetischen Schritten von 3 % pro Jahr bis zu maximal 20 % ab 2004 bei einem Freibetrag von 5000 € für die ersten zwei vollbeschäftigten Arbeitskräfte und (optional für die Mitgliedstaaten) 3000 € für jede weitere Vollarbeitskraft (dynamische Modulation); Deckelung der Direktzahlungen pro Betrieb bei 300 000 € nach Anwendung der Modulation und des Freibetrags und Übertragung der freiwerdenden Mittel in die zweite Säule in dem betreffendem Mitgliedsstaat. Positiv an diesen Vorschlägen ist, dass die Umstellung auf betriebsbezogene Beihilfen tatsächlich eine weitergehende Entkopplung darstellt. Das gilt vor allem für die Tierprämien. Aber auch bei den Flächenprämien nimmt die Produktionswirksamkeit insgesamt ab, obwohl schon heute weitgehend einheitliche Ackerprämien gezahlt werden, diese aber immer noch an die tatsächliche Nutzfläche gebunden sind. Produktionsverzerrungen und Faktorfehllenkungen werden somit geringer, die unternehmerischen Freiheitsgrade und die Marktorientierung der Landwirte nehmen zu und die Direktzahlungen erlangen voraussichtlich Green-box-Fähigkeit in den WTO-Verhandlungen. Nicht zuletzt wird das Zahlungssystem auch einfacher, weil nicht neue Zahlungsansprüche pro Betrieb errechnet werden müssen, sondern die historischen Beträge erhalten bleiben und lediglich in ihrer Summe auf den Hektar umgelegt werden. Diesen positiven Aspekten stehen allerdings auch eine Reihe kritischer Punkte gegenüber, die es im Folgenden zu kommentieren gilt. Die Umstellung auf betriebsbezogene Direktzahlungen entsprechend dem Niveau der bisherigen Zahlungen hat zwar den verteilungspolitischen Charme, zunächst nicht die Besitzstände antasten zu müssen, schreibt andererseits eben diese mittelfristig auch fest und führt zu sehr unterschiedlichen Zahlungsansprüchen pro Hektar, die weder einkommens-, noch sozial- noch umweltpolitisch begründbar sind. Darüber hinaus sollen manche Produktbereiche erst sehr viel später in die Regelung einbezogen werden (z.B. Milch und Zucker) und bestimmte Ausnahmen sollen erhalten bleiben, z.B. für Hartweizen, Eiweißpflanzen, Reis und Schalenfrüchte. Von einer durchgreifenden Vereinfachung kann deshalb kaum gesprochen werden. Zudem sind neue Produktionsverzerrungen und Faktorfehllenkungen nicht auszuschließen, wenn produktbezogen unterschiedliche Steuerungsprinzipien zur Anwendung kommen. Das gilt insbesondere dann, wenn die nationalen Ausgestaltungsspielräume für eine mögliche Nivellierung der Zahlungsansprüche pro Hektar bei Verpachtung und Verkauf von Betriebsteilen bzw. Flächen von den Mitgliedsländern sehr unterschiedlich genutzt würden. Je nach nationaler Vorstellung wäre die Prämie dann mal eher einkommensorientiert oder eher beschäftigungsbezogen oder eher umweltgebunden. Auf jeden Fall würde sie eine klare Zielrichtung und ein einheitliches Steuerungsprinzip vermissen lassen. So sinnvoll der Versuch der EU-Kommission auch ist, die gute fachliche Praxis nach EU-einheitlichen Durchführungsbestimmungen zu definieren und als Mindeststandards in den Bereichen Umwelt, Lebensmittelsicherheit, Tierschutz und Betriebssicherheit vorzugeben, sie geht aber beim derzeitigen Kenntnisstand in diesen Bereichen eindeutig zu weit, wenn sie davon den Anspruch auf Direktzahlungen abhängig macht, kostenträchtige Audits für alle Haupterwerbsbetriebe verpflichtend vorschreibt und den Zahlungsanspruch an eine langfristige ökologische Flächenstillegung knüpft. Bei der vorgesehenen Ergänzung der EU-einheitlichen Mindeststandards um regionale Standards kann man sich leicht vorstellen, was hierbei an Bürokratie auf Behörden und Betriebe bei den Direktzahlungen zukommt. Der regulatorische Overkill ist programmiert und erhebliche Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten von Ländern mit überzogenen Standards sind zu befürchten. Obwohl prinzipiell eine zeitliche Degression der Direktzahlungen bei gleichzeitigem Aufbau eines Systems der Honorierung ökologischer Leistungen sinnvoll erscheint, ist der Vorschlag der EU-Kommission zur dynamischen Modulation ausgesprochen problematisch. Das betrifft zum einen die betriebliche Obergrenze der Zahlungen. Solange Direktzahlungen als Kompensationsinstrument dienen für den Erlösausfall infolge von Preissenkungen, stehen sie allen Betrieben zu für jeden Hektar, den sie bewirtschaften. Eine Deckelung ist dann nicht zu begründen. Werden dagegen einkommenspolitische Ziele verfolgt, wie es sich mit den Hinweisen auf die Kostendegression bei großen Betrieben andeutet, fragt sich, ob die Direktzahlungen und ihre Modulation generell ein geeignetes Mittel sind, um einkommenssteuernd in einen Sektor einzugreifen. Die Antwort ist eindeutig nein. Einkommensumverteilung wird effizient nur über die Steuerpolitik vorgenommen, nicht über agrarpolitische Instrumente der Marktordnungen. Zum anderen ist die Orientierung der Modulation an der Beschäftigungssituation eines Betrieb außerordentlich problematisch. Trotz aller Beteuerungen im Hinblick auf eine vermeintlich doppelte Dividende (mehr Arbeit und bessere Umwelt) lässt alles darauf schließen, dass der vom Modulationssystem ausgehende Anreiz für einen höheren Arbeitseinsatz mittel- bis längerfristig nicht mehr, sondern weniger Arbeit schafft. Dies ergibt sich aus dem Kostennachteil gegenüber Konkurrenten ohne solche Anreizsysteme und führt im Ergebnis zu einem Verlust an Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätzen. Schließlich wird die mit der Umstellung des Prämiensystems erzielte weitergehende Entkopplung über die Modulation wieder zunichte gemacht. Indem Beschäftigungsintensität begünstigt wird, findet eine klare Lenkung des Faktoreinsatzes mit nachfolgenden Produktionsverzerrungen statt, die zu Lasten kapital- und vorleistungsintensiver Betriebe geht. Die Sorge über diese Fehlentwicklung verstärkt sich noch, wenn man im Bericht der EU-Kommission liest, dass die aus der dynamischen Modulation freiwerdenden Mittel zusätzlich für die ländliche Entwicklung u.a. nach Beschäftigungskriterien vergeben werden sollen. Dabei ist klar: Agrarpolitik übernimmt sich, wenn mit ihr Beschäftigungspolitik für den ländlichen Raum betrieben werden soll. Damit ist zugleich die zweite Säule der Agrarpolitik angesprochen, die die EU-Kommission stärken will. Die bisherigen Begleitmaßnahmen, wie Agrarumweltprogramme, Förderung benachteiligter Gebiete, Aufforstungsmaßnahmen und Vorruhestandsregelung, sollen verbessert und neue Begleitmaßnahmen hinzugefügt werden. Hierzu zählen vor allem Fördermaßnahmen, um auf die Erwartungen in Bezug auf die Sicherheit und Qualität der Lebensmittel zu reagieren, den Landwirten bei der Einführung höherer Standards zu helfen sowie Maßnahmen des Tierschutzes zu fördern. Allen diesen Vorschlägen ist gemeinsam, dass sie wenig konkret sind und erhebliche nationale Ausgestaltungsspielräume zulassen. Es kann bezweifelt werden, dass die zweite Säule der Agrarpolitik jene Kohärenz, Effektivität und Effizienz erreicht, die sich viele von ihr erhoffen. Zweifel sind auch vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit den bisherigen Begleitmaßnahmen angebracht. Im Übrigen gehen Fischlers Überlegungen und diejenigen zahlreicher Umweltschützer immer noch von der falschen Vorstellung aus, dass zur Entlastung der Umwelt zwingend eine Rückführung der Produktionsintensität notwendig sei. Neuere Erkenntnisse belegen dagegen längst, dass extensivere Produktionsmethoden nicht zwangsläufig umweltfreundlicher sind und dass man gleiche Umweltleistungen mit intensiveren Methoden oft kostengünstiger, zeitsparender und zielgenauer erreichen kann. Moderne Betriebsmittel und innovative Produktionsverfahren leisten ihren Beitrag dazu. Bei den Umweltprogrammen wird diesem Sachverhalt bislang kaum Rechnung getragen, indem nach wie vor die Handlung (Extensivierung) und nicht das Ergebnis honoriert wird. Abschließend lässt sich daraus folgendes Fazit zu der Halbzeitbewertung der EU-Kommission und zu Fischlers Reformkurs ziehen. Zentrale Elemente der Vorschläge lassen einerseits eine klare Marktorientierung erkennen. Hierzu gehören der Abbau der Preisstützung, die Rückführung der Intervention auf ein Sicherheitsnetz sowie die weitere Entkopplung der Direktzahlungen. Bei der Infragestellung der Quotensysteme hätte man der EU-Kommission allerdings mehr Mut zur klaren Aussage gewünscht. Zahlreiche Neuvorschläge bergen andererseits erhebliche Risiken, die auf weniger Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit und mehr Bürokratie hinauslaufen. Zu nennen sind vor allem die Vorschläge zum Cross- Compliance und zur Modulation. Schließlich bleibt die Ausgestaltung der zweiten Säule noch weitgehend im Unklaren und es stellt sich grundsätzlich die Frage, ob mit der regionalen Wirtschaftspolitik nicht schon ein solches Instrument besteht, mit dem ländliche Entwicklung gesteuert werden kann. Die Sorge ist, dass vorschnell Mittel aus der Landwirtschaft abfließen, ohne ausreichend Vertrauensschutz für eine Übergangszeit von Liberalisierung und Deregulierung gewähren zu können. Der vorgeschlagene Reformkurs enthält somit zahlreiche Risiken und bietet Spielraum für kontraproduktive nationale Alleingänge. Dies scheint gerade vor dem Hintergrund der EU-Osterweiterung nicht unproblematisch zu sein. Zudem erhöht er das Politikrisiko im laufenden Agrarprogramm durch Einführung der dynamischen Modulation ab 2004. Es wäre sicherlich sinnvoller, noch einmal intensiv über die Reform des Systems der Direktzahlungen nachzudenken und diese dann ab dem Jahr 2006 beginnen zu lassen.

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Prof. Dr. P. MICHAEL SCHMITZ,
Institut für Agrarpolitik und Marktforschung, Professur für Agrar- und Entwicklungspolitik, Justus-Liebig-Universität Gießen,
Diezstraße 15, 35390 Gießen
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