Grundsätze für eine Neuausrichtung der Agrarpolitik

ULRICH KOESTER

Published: 28.05.2001  〉 Heft 4 (von 8) 2001  〉 Resort: Article  〉  Deutsch
Submitted: N. A.   〉 Feedback to authors after first review: N. A.   〉 Accepted: N. A.
DOI:
N. A.

ABSTRACT

Die BSE Krise hat zu einer kritischen Reflektion der Agrarpolitik Anlass gegeben. Das Vertrauen der Verbraucher ist erschüttert. Die Umbenennung des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft und die Neubesetzung der Leitung dieses Ministeriums zeigen, dass die offizielle Politik einen Handlungsbedarf sieht und eine Wende anstrebt.
Es ist ein Novum in der Europäischen Agrarpolitik, dass sich die Bundesregierung an die Spitze der Reformer setzt. Die gegenwärtige Reformdiskussion, wie sie von der Bundesregierung angeregt und angestrebt wird, nimmt wenig Bezug zu den Reformforderungen, wie sie von ökonomischer Seite und insbesondere vom Wissenschaftlichem Beirat beim ehemaligen Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten seit Jahrzehnten vorgetragen wurden. Es entsteht sogar der Eindruck, dass die Reformforderungen konträr zu den Forderungen der Ökonomen stehen. Im Folgenden sollen die Ursachen für den Dissens identifiziert und allgemeine Grundsätze für eine Reform formuliert werden. Hierbei ist es wichtig, sich zu vergegenwärtigen, welches normative Gerüst einer solchen Analyse zugrunde liegt. Angewandte ökonomische Forschung kann auf Werturteile nicht verzichten, um so wichtiger ist es, diese deutlich zu benennen. Nach GIERSCH (1990) haben Ökonomen, die sich als 'Public Economists' betätigen wollen, eine Bringschuld. Sie sind angehalten, sich als Advokaten der Öffentlichkeit zu betätigen. Ihre Aufgabe ist unter anderem,
- "to watch past and current developments with a view to discovering where economic performance falls short of generally accepted goals (i.e., to discover market failures, government failures, avoidable inefficiencies and wastes);
- to stimulate the public policy debate by stating the case for and against proposals under discussion or by suggesting superior solutions;
- to criticize the narrow views of special interest groups;
- to assess the costs and benefits of questionable government interventions with a view to their discontinuation or improvement." (GIERSCH, 1990).
Akzeptiert man als Ökonom die hier vertretene Norm, so darf man sich nicht ausschließlich auf die Analyse von Sachzusammenhängen beschränken (ISERMEYER, 2001). Vielmehr hat der 'Public Economist' auch darüber zu reflektieren, ob die von der Regierung aufgestellten Ziele mit den allgemeinen Zielen der Gesellschaft im Einklang stehen und welche Kosten bei der Verwirklichung dieser Ziele entstehen. Es wäre irreführend, wenn Ökonomen den Eindruck einer wertfreien Wissenschaft vermitteln würden. Werturteile lassen sich in der wissenschaftlichen Agrarpolitik nicht vermeiden (HERRMANN, 1991), es ist aber wichtig, diese zu kennzeichnen. Aus dieser Tatsache folgt, dass wissenschaftliche Analysen nicht politische Entscheidungen ersetzen können, aber politische Entscheidung können sehr wohl auf der Basis wissenschaftlicher Analysen erfolgen. Es ist mit dem hier vertretenem Verständnis demnach auch nicht vereinbar, die von der Regierung eng vorgegebenen Ziele, z.B. Erhöhung des Anteils des ökologischen Landbaus auf 20 %, einfach als gegeben zu betrachten und nur zu überprüfen, wie man dieses Ziel am effizientesten erreichen kann. (NIEBERG, 2001). Eine Gesellschaft, die an einer effizienten Gestaltung der Politik interessiert ist, ist gut beraten, die Erkenntnisse der Ökonomen auch bei der Zielanalyse und bei der Identifikation von Alternativen und deren Bewertung in die Entscheidungsfindung eingehen zu lassen. Auch wenn man Ökonomen als "Dienstleister" (ISERMEYER, 2001) ansieht, brauchen sie nicht reine Technokraten zu sein, sondern können sehr wohl hinterfragen, ob das, was von der Politik angestrebt wird, auch aus anderen Gesichtspunkten heraus zu befürworten ist.
In den folgenden Anmerkungen wird versucht, ausgehend von den Begriffen Markt- und Politikversagen, Grundregeln für eine Reform der Agrarpolitik abzuleiten. Vom Marktversagen spricht man, wenn die Marktkräfte nicht zu einem sozial-ökonomischen Optimum führen. Ob Marktversagen Anlass für staatliche Aktivität sein sollte, muss im Einzelfall entschieden werden; der Eingriff sollte zu einer Annäherung an das gesamtwirtschaftliche Optimum führen. Die Kosten des Eingriffs in den Marktmechanismus sind somit dem potenziellen Nutzen gegenüberzustellen. Doch auch bei dieser Abwägung gibt es vielfältige Informations- und Bewertungsprobleme, so dass es gelegentlich einen weiten Ermessenspielraum geben kann.
Die politische Ökonomie stellt dem Marktversagen als klassischer Rechtfertigung staatlicher Eingriffe das Phänomen des Politikversagens gegenüber. Von Politikversagen wird gesprochen, wenn durch politische Eingriffe in den Markt entweder die gestellten Ziele gar nicht erreicht werden (absolutes Politikversagen) oder die Zielerreichung gemessen an den entstandenen Kosten zu gering ist. Die bisherige EU-Agrarpolitik wurde von Ökonomen insbesondere wegen des verfestigten Politikversagens kritisiert. Es wird im Folgenden gezeigt, dass durch Reduzierung des Politikversagens auch tatsächliches oder vermeintliches Marktversagen auf den Agrarmärkten verringert werden kann. Bundesregierung und Gesellschaft sind durch die BSE Krise aufgeschreckt. Der Verzehr von Rindfleisch war vor der flächendeckenden Einführung von Tests mit erhöhten Gesundheitsrisiken verbunden. Es ist daher verständlich und dürfte auch den Wünschen der Verbraucher entsprechen, dass Risiken zukünftig ausgeschlossen - was wahrscheinlich nicht vollkommen möglich und sinnvoll ist - zumindest aber verringert werden. Soweit kann ein 'Public Economist' zustimmen.
Die Regierung strebt mit der geforderten 'Wende in der Agrarpolitik' überdies an, negative ökologische Effekte der Agrarproduktion zu verringern und zu einer tiergerechten Haltung beizutragen. Bei beiden Aspekten wird also ein Marktversagen konstatiert. Der Markt hat den Produzenten nicht ausreichend Signale gesetzt, um negative ökologische Effekte zu vermeiden und die speziellen Verbraucherwünsche bezüglich der tiergerechten Haltung zu berücksichtigen. Auch bei diesen beiden von der Regierung hervorgehobenen Zielen der Wende kann demnach auch aus ökonomischer Sicht die Notwendigkeit zu verstärktem staatlichen Handeln nicht bestritten werden.
In der derzeitigen offiziellen Diskussion um die 'Wende in der Agrarpolitik' werden aber aus ökonomischer Sicht zwei Aspekte nicht genügend berücksichtigt. Diese Punkte werden seit Jahrzehnten von Ökonomen als die eigentlichen Gründe für eine notwendige Reform der Agrarpolitik genannt. Zum einen verursacht die Agrarpolitik seit ihrer Einführung hohe volkswirtschaftliche Kosten, die sich in einer Vergeudung von knappen Ressourcen zeigen. Zum anderen verstößt die Agrarpolitik in ihrer Implementierung gegen allgemeine Prinzipien der Wirtschaftspolitik. Beispielsweise steht sie im Widerspruch zu einer zielgerichteten Einkommensverteilungspolitik, zu den Prinzipien der ‚sozialen Marktwirtschaft' und zu den Grundsätzen eines europäischen Binnenmarktes. So werden z.B. in der Bundesrepublik 42 % des Wertes der Agrarproduktion durch Produktionsquoten beschränkt. Die Produktion kann daher in der EU nicht an die kostengünstigsten Standorte verlagert werden. Hohe staatliche Zahlungen der EU zugunsten der Landwirte schlagen sich oft in Renten für die Faktoreigentümer nieder und tragen auch nicht dazu bei, dass vornehmlich sozial Bedürftigen geholfen wird. Der Markt ist weitgehend außer Kraft gesetzt, ohne dass verteilungspolitische oder ökologische Effekte effizient erreicht werden. Es liegt Politikversagen in einem beträchtlichen Ausmaß vor. Wenn eine 'Wende in der Agrarpolitik' eingeleitet wird, so wäre es angebracht, nicht nur auf das oben diagnostizierte und anderweitiges Marktversagen abzuzielen, sondern auch das bisherige Politikversagen zu beseitigen. Vernachlässigt man den zweiten Aspekt, dann besteht eine akute Gefahr, dass zwar potenzielles Marktversagen teilweise reduziert wird, aber zusätzliche volkswirtschaftliche Kosten durch weiteres Politikversagen entstehen.
Leider muss zugestanden werden, dass es auf Grund von Informationsmängeln schwierig ist, optimale Politikmaßnahmen zu empfehlen, die zu den oben genannten Zielen mit geringsten volkswirtschaftlichen Kosten führen. Informationsdefizite können z.B. bei den Gesundheitswirkungen von Lebensmitteln, bei ökologischen Effekten und bei den Wirkungen bestimmter Produktionsmethoden in der Agrarproduktion bezüglich tiergerechter Haltung vorliegen. Die Bundesregierung geht davon aus, dass durch verringerten konventionellen Landbau und vermehrten ökologischen Landbau ein positiver Beitrag zu allen drei Zielen geleistet werden kann und dass der Zielbeitrag mit geringeren Kosten erreicht werden kann als durch den konventionellen Landbau.
Gesundheitswirkungen der Lebensmittel
Im Weißbuch der EU-Kommission wird ausgeführt, dass alle Lebensmittel die Gesundheit der Verbraucher schützen und fördern sollen. Nahrungsmittelsicherheit ist nach der EU Kommission nicht von speziellen Produktionsmethoden in der Landwirtschaft abhängig, sondern von bestimmten Attributen der Produkte. Es gilt daher, diese Attribute kostengünstig sicherzustellen.
Die BSE Krise hat eine wichtige Ursache für die möglichen Gefahren für die Gesundheit durch Lebensmittel gezeigt: Informationsdefizite in unterschiedlicher Ausprägung. Zunächst lag Unkenntnis über die möglichen Auswirkungen der Verfütterung von Tiermehl an Rinder vor und über die mögliche Beziehung zwischen BSE und der neuen Form der Creutzfeldt-Jacob Krankheit. Solche Informationsmängel können grundsätzlich entstehen, wenn neue Produktionsverfahren eingeführt werden. Auch der ökologische Landbau hat in der Vergangenheit gelegentlich neue gesundheitsgefährdende Produktionsmethoden angewandt, z.B. die Bekämpfung des Pilzbefalls durch Kupferspritzmittel. Solche Risiken können nur vermieden werden, wenn man weitgehend auf neue Produktionsmethoden und neue Produkte verzichten würde. Es ist offensichtlich, dass eine Gesellschaft bei einem solch extrem risikoaversen Verhalten auf erhebliche Wohlstandsgewinne verzichten müsste.
Die BSE Krise hat weiterhin gezeigt, dass Tiermehl trotz des Verbots verfüttert wurde. Die Käufer von Rinderfuttermitteln, die Landwirte, vertrauten darauf, dass die gelieferten Futtermittel kein Tiermehl enthielten. Es lag demnach eine Situation mit asymmetrischer Informationsverteilung vor. Es wären in der Bundesrepublik wahrscheinlich weniger BSE-Fälle aufgetreten, wenn sich die Futtermittelhersteller an das Verbot gehalten hätten. Der Gesetzesverstoß, eine strafbare Tat, war am Gewinnmotiv orientiert, wurde durch offensichtlich nicht ausreichende Kontrollen und Sanktionen möglich und hat die Wohlfahrt der Gesellschaft vermindert.
Nahrungsmittelsicherheit setzt somit voraus, dass der Staat sich Informationen über gesundheitsgefährdende Inhaltsstoffe der Produkte verschafft, diese unmittelbar an die interessierte Öffentlichkeit weitergibt und - falls notwendig - durch entsprechende Gesetze einschließlich adäquater Kontrollen und Sanktionen eingreift. Es ist durchaus möglich, dass es gezielte Gesetzesverstöße vermehrt bei spezifischen Produktionsmethoden gibt (intensive Kälbermast oder Eierproduktion in Käfighaltung können als Beispiel dienen), doch gibt es keinen Grund für die Vermutung, dass Betriebe des konventionellen Landbaus generell stärker gegen Gesetze verstoßen als Betriebe des ökologischen Landbaus. Die Folgerung lautet daher: Wenn man die Gefahren für die Gesundheit durch Lebensmittel verringern will, ist allgemein eine intensivere Informationsbeschaffung über die Wirkung der einzelnen Lebensmittel notwendig (Förderung gezielter Forschung auf nationaler und/oder internationaler Ebene). Es liegen nach meiner Kenntnis zur Zeit keine Forschungsergebnisse vor, die konventionell erzeugten Lebensmitteln eine negative und ökologisch produzierten Lebensmitteln dagegen eine positive Wirkung auf die Gesundheit attestieren. Auch konventionell produzierte Lebensmittel müssen nach den gegenwärtigen Gesetzen grundsätzlich unbedenklich für die Gesundheit sein; andernfalls dürfen sie nicht auf den Markt gelangen. Damit ist klar, dass die von der Regierung proklamierte Wende in der Agrarpolitik hin zum ökologischen Landbau nicht mit dem Argument der Sicherheit der Lebensmittel begründet werden kann.
Ökologische Wirkungen der Agrarproduktion
Umweltwirkungen der Agrarproduktion sind externe Effekte, die zu Marktversagen führen können. Ein agrarpolitischer Handlungsbedarf besteht aber nicht bereits aus der Existenz dieser Effekte, sondern nur dann, wenn die Grenzkosten der Vermeidung dieser Effekte geringer oder gleich dem Grenznutzen sind, der durch die Vermeidung entsteht. Da es vielfältige ökologische Effekte gibt und diese auch regional sehr unterschiedlich zu bewerten sind, ist es offensichtlich, dass durch die Vorgabe einer speziellen Form des Landbaus, nämlich der des ökologischen Landbaus, diese Effekte nicht mit geringsten Kosten erstellt werden können. Eine auf Effizienzsteigerung ausgerichtete Politik wird die Zahl der Instrumente nach der Zahl der unabhängigen Ziele wählen. Werden weniger Instrumente als Ziele eingesetzt, ist dies in der Regel mit einem Effizienzverlust verbunden. Die von der Regierung bevorzugte Lösung ist auch deshalb nicht effizient, weil auch vom ökologischen Landbau negative ökologische Effekte ausgehen können. Dies betrifft z. B. auch die Auswaschung von Stickstoff (TAUBE et al., 2001). Kostengünstig könnte die Verringerung negativer ökologischer Effekte erreicht werden, wenn man durch eine Änderung der bisherigen Agrarpolitik sowohl konventionell als auch ökologisch produzierenden Landwirten Anreize zur Verringerung der Intensität der Produktion geben würde. Dies beinhaltet, dass Stützpreise und produktgebundene Direktzahlungen, die zu einer Steigerung der Produktionsintensität führen, abgebaut werden sollten. Hiermit würde man auch gleichzeitig die Vergeudung inländischer Ressourcen durch die bisherige Agrarpolitik reduzieren, internationale Handelsprobleme entschärfen und den Landwirten eine marktorientierte Perspektive eröffnen. Allerdings kann nicht erwartet werden, dass bei einer solchen neugestalteten Agrarpolitik keine negativen ökologischen Effekte anfallen. Um diese Effekte zu begrenzen, wäre ein national und regional differenzierter Mitteleinsatz notwendig, der Produktionsauflagen, wie sie zum Beispiel bereits in Wasserschutzgebieten bestehen, und spezielle regional differenzierte Umweltprogramme umfassen könnte.
Tiergerechte Haltung
Die Vorstellungen darüber, was unter tiergerechter Haltung zu verstehen ist, sind nicht eindeutig. Es kann aber angenommen werden, dass ein großer Teil der deutschen Bevölkerung bestimmte Haltungsformen in der Massentierhaltung und hier insbesondere in der Eier- und Geflügelfleischproduktion, als nicht tiergerecht bezeichnen würde. Gleiches gilt sicher aber auch für die Haltung von Milchkühen. Anbindeställe werden im Vergleich mit Laufställen als weniger tiergerecht betrachtet; diese Haltungsform ist aber in Betrieben des ökologischen Landbaus selbst nach den Richtlinien des Bioland Verbandes (Bioland, 2001) weiterhin erlaubt. Aus diesen Beispielen lässt sich bereits entnehmen, dass die tiergerechte Haltung weder im ökologischen Landbau gesichert ist, noch im konventionellen Landbau durchweg gefährdet ist. Die Verwirklichung einer tiergerechteren Haltung kann daher nicht einfach durch Ausdehnung des ökologischen Landbaus kostengünstig verwirklicht werden, sondern erfordert einen speziellen Mitteleinsatz.
Die offiziell verkündete 'Wende in der Agrarpolitik' stellt vornehmlich auf die Beseitigung von Marktversagen ab. Die Reaktion der Öffentlichkeit, insbesondere der Presse, deutet darauf hin, dass von breiten Bevölkerungskreisen das von der Regierung herausgestellte Marktversagen auch als Problem gesehen wird. Von der Politik scheint aber übersehen zu werden, dass dieses Marktversagen am effizientesten durch eine Verringerung des bisherigen Politikversagens und darüber hinaus durch einen speziellen Mitteleinsatz gemindert werden könnte. Die statt dessen vorgeschlagene Therapie einer verstärkten Förderung des ökologischen Landbaus ist dagegen nach vorliegenden Erkenntnissen ineffizient und damit teuer. Die konventionelle Landwirtschaft würde dadurch indirekt besteuert und an internationaler Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Die Mängel der gegenwärtigen Agrarpolitik, die durch Politikversagen verursacht wurden, werden durch die von der Regierung verkündete ,Wende in der Agrarpolitik' nicht angegangen. Da zur Zeit bei der deutschen Regierung eine Bereitschaft zur Änderung der Agrarpolitik besteht, wäre es angebracht, die notwendigen Reformen in einer allgemeinen Grundsatzdebatte durch Rückgriff auf vorhandene Informationen über theoretische Erkenntnisse und Fakten abzusichern.
Eine breite Reformdebatte und schnelle Reformentscheidungen sind auch in Anbetracht der WTO-Verpflichtungen und der anstehenden EU-Erweiterung dringend notwendig. Die gegenwärtige Regelungsintensität der Agrarmärkte ist sehr hoch, erfordert einen hohen administrativen Aufwand und gibt Anreize für Gesetzesverstöße. Es ist unwahrscheinlich, dass die neuen Beitrittsländer in der Lage sein werden, dieses Regelsystem zu implementieren. Es ist jedoch zu erwarten, dass der Europäische Rechnungshof vermehrt Unregelmäßigkeiten bei der Durchführung der gegenwärtigen Agrarpolitik in den Beitrittsländern finden wird. Hierfür spricht, dass z.B. Korruption in diesen Ländern sehr viel stärker ausgeprägt ist, als im Durchschnitt der EU-Länder (Transparency International (TI), 2001) und bereits in den gegenwärtigen Mitgliedstaaten zahlreiche Fälle aufgedeckt wurden.
Insgesamt gibt es also hinreichend Anlass und gute Gründe für die Forderung, dass bei einer grundlegenden Reform der Agrarpolitik die Aufgabe des Staates neu festzulegen ist. Aufgabe des Staates ist es, Politik- und Marktversagen zu beseitigen oder zu mindern. Das gegenwärtige Instrumentarium mit Preisstützung, Quotierungen, produktionsstimulierenden Beihilfen, hohem administrativen Aufwand und Umweltprogrammen, die zum Teil in ihrer Wirkung nicht überprüfbar sind und Anreize zu Doppel- und Dreifachfinanzierung bieten, sollte auf den Prüfstand kommen.

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Prof. Dr. ULRICH KOESTER, Institut für Agrarökonomie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Olshausenstraße 40-60, D-24118 Kiel (Fax 0431-880 4592, E-Mail: ukoester@agric-econ.uni-kiel.de)
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