Die Zukunft der
Direktzahlungen an die LandwirtschaftMANFRED KÖHNEDie Direktzahlungen, die die Landwirte in der EU gegenwärtig für Mähdruschfrüchte und Rindfleisch erhalten, sind in jüngster Zeit intensiv in die politische Diskussion geraten. Bei ihrer Weiterentwicklung sind vielfältige politische sowie makro- und mikroökonomische Aspekte zu berücksichtigen. Dieses Heft vermittelt Informationen und Denkanstöße dazu. Zur Einstimmung in die Thematik werden in diesem Beitrag einige Fragen aufgeworfen und skizzenhaft beantwortet, die nach Ansicht des Unterzeichners bei einer Weiterentwicklung der Direktzahlungen im Hinblick auf die Wirkungen in den Betrieben stärker als bisher bedacht werden sollten.Sollte bei der Weiterentwicklung von dem Gedanken der Überbrückung einer Übergangszeit oder von dem Konzept eines „offenen Endes“ ausgegangen werden? Die Direktzahlungen sind als Ausgleich für Agrarpreissenkungen konzipiert. Insoweit können sie nur für eine Übergangszeit gelten. Faktisch besteht hier jedoch folgendes Problem: Die betroffenen Produkte können bei den herrschenden Preisverhältnissen in Deutschland und in der Alt-EU, abgesehen von ganz wenigen Betrieben, nicht kostendeckend hergestellt werden. Dies würde in der Zukunft auch für Milch und Zucker gelten, wenn deren Preise dicht an das Weltmarktniveau herangeführt werden. Wenn man die Landwirtschaft substanziell erhalten will, sind daher einkommensstützende Direktzahlungen unerlässlich. Gegenwärtig ist überhaupt nicht absehbar, wie sich die wesentlichen Bestimmungsfaktoren der Wirtschaftlichkeit in der Zukunft verändern werden. Dies spricht für die Konzeption eines offenen Endes. Aus diesem Blickwinkel wäre es nicht sachgerecht, eine Automatik für einen völligen Abbau der Direktzahlungen im Zeitablauf einzuführen. Die Politik müsste sich unter dem Druck der jeweiligen Verhältnisse ohnehin in der einen oder anderen Richtung revidieren. Aus dieser Sicht ist es auch nicht angebracht, die Direktzahlungen an die gegenwärtigen Betriebsleiter zu binden und Neueinsteiger davon auszunehmen.Woran sollten die Direktzahlungen künftig angehängt werden? Wenn sie von den Produkten gelöst werden, verbleibt nach dem soeben Ausgeführten im Wesentlichen nur eine Anhängung an die Arbeitskräfte oder/und die Fläche. Eine Anbindung an die Arbeitskräfte ist nicht zielgerecht. Denn eine wettbewerbsfähige Landwirtschaft erfordert eine Minimierung der Arbeitskosten. Außerdem ist die Ermittlung der Bemessungsgrundlage nicht rechtssicher handhabbar. Das gilt sowohl für die Zusammenrechnung von Teilzeit- zu Vollarbeitskräften wie auch für den Weg über Normarbeitszeiten. Damit verbleibt letztlich die in den Betrieben landwirtschaftlich genutzte Fläche als die am wenigsten problematische Größe. Dies entspricht auch am besten dem Substanzerhaltungsgedanken.Sollten die Direktzahlungen national, regional oder/und betrieblich differenziert werden? Für eine nationale Differenzierung könnte sprechen, dass sich die Landwirte in den einzelnen Ländern in einem unterschiedlichen wirtschaftlichen Umfeld befinden. Dies hat vor allem Wirkungen auf die Lohn- bzw. kalkulatorischen Arbeitskosten. Wenn man bspw. einen einheitlichen Sockelbetrag je ha für die gesamte EU vorsieht und eine Aufstockungsmöglichkeit aus nationalen Mitteln einräumt, gelangen die Landwirte allerdings in das nationale Finanzgerangel. Von einer regionalen Differenzierung sollte, wenn überhaupt, nur sehr vorsichtig Gebrauch gemacht werden. Denn dies spricht gegen den gebotenen Grundsatz der Vereinfachung. Möglicherweise könnten jedoch in nationaler Kompetenz geringere Direktzahlungen je ha in sehr extensiv genutzten Gebieten vorgesehen werden. Auch betriebliche Differenzierungen sprechen gegen den Vereinfachungsgrundsatz und ein relativer Abbau in größeren Betrieben ist wirtschaftlich kontraproduktiv; denn er hemmt die Bemühungen zu wirtschaftlicher Effizienzsteigerung und lenkt Aktivitäten der Betroffenen auf Umgehungsmöglichkeiten.Welcher Stellenwert sollte der Besitzstandswahrung zukommen? M. E. wird die Besitzstandswahrung gegenwärtig überbetont. Dies zeigt sich insbesondere bei dem Vorschlag der EU-Kommission, die gegenwärtigen Direktzahlungen je Betrieb zunächst einmal als Besitzstand anzusetzen. Die Umlegung auf die Fläche im Hinblick auf mögliche Übertragungen verstößt in hohem Maße gegen das Gebot der Vereinfachung. Eine Besitzstandswahrung ist grundsätzlich weder rechtlich noch wirtschaftlich angebracht. Denn alle Beteiligten wissen um die Unsicherheiten der Agrarpolitik. Wenn die Umstellung auf eine neue Verteilung der Direktzahlungen über mehrere Jahre gestreckt wird, dann sollten sich besitzstandswahrende Übergangsregelungen nur auf Härtefälle beschränken. Diese sind vermutlich nur bei intensiven Rindfleisch- und künftig teils auch Milchviehbetrieben zu erwarten. Härtefälle sind anhand der Antragsunterlagen identifizierbar. Das Niedrighängen der Besitzstandswahrung spricht auch dagegen, einen bestimmten Sockelbetrag der Direktzahlungen je Betrieb von Kürzungen auszunehmen. Dies ist auch ein Hemmnis für den Strukturwandel. Die Direktzahlungen sollten möglichst so ausgestaltet sein, dass sie nicht der Vergangenheits-, sondern der Zukunftsbewältigung dienen.Sollten die Direktzahlungen der ersten Säule mit sozial- und umweltpolitischen Zielen verbunden werden? M. E. heißt die Antwort: Nein. Einer Mindesteinkommenssicherung dienen die allgemeinen sozialpolitischen Instrumente. Umweltpolitik, die über die gute fachliche Praxis hinausgeht, sollte mit der zweiten Säule betrieben werden. Anders herum ist diese allerdings auch kein Ersatz für eine Politik, die effizient geführten Betrieben längerfristig die wirtschaftliche Existenz sichert. Soweit und solange die Rahmenbedingungen eine solche Existenzsicherung ohne Direktzahlungen nicht zulassen, sollten diese als eigenständiges agrarpolitisches Instrument erhalten bleiben.